Sexualität, FortpflanzungGesundheit
27.10.2020

Alternativen zur chirurgischen Kastration

Die am häufigsten angewandte Methode zur Kastration von Hunden und Katzen ist die chirurgische Entfernung der Hoden (beim männlichen Tier) bzw. der Eierstöcke (beim weiblichen Tier). Diese invasive Methode gerät aber zunehmend in die Kritik. Viele Tierbesitzer sind daher auf der Suche nach alternativen, chemischen Verhütungsmethoden.

Was spricht für eine chemische Kastration?

Tierbesitzer entscheiden sich häufig für die Kastration, um unerwünschte Eigenschaften (Aggressivität, Ausreissen, Harnmarkieren, Miauen rolliger Katzen, Bluten bei Hündinnen usw.) zu unterbinden und eine Fortpflanzung zu verhindern. Manche betrachten die chirurgische Kastration allerdings als Verstümmelung, da sie invasiv und irreversibel ist.  Einerseits wird durch die chirurgische Kastration das Risiko für gewisse Krankheiten gesenkt (Gebärmutterentzündungen und Mammatumore bei weiblichen Tieren und Hodentumore bei männlichen Tieren). Andererseits kann aber das Risiko für andere Beschwerden (Übergewicht, Harninkontinenz) bis hin zu Krebs (Prostatakrebs, Osteosarkom) steigen. Studien haben gezeigt, dass nach einer Kastration unerwünschtes Verhalten zwar bei 60 % der männlichen Tiere zurückgeht, manche Hunde infolge einer Kastration jedoch ängstlicher oder aggressiver werden.

Welche Möglichkeiten gibt es für männliche Tiere?

Bei männlichen Tieren kommen zwei Arten von Molekülen zum Einsatz: Progesteron (Delmadinonacetat und Osateronacetat) und GnRH-Agonisten (Deslorelin). Progesteron kann in Form einer Spritze mit einer langen Wirkungsdauer oder in Form einer täglichen Pille verabreicht werden. In der Regel wirkt es beruhigend auf das Tier.

Deslorelin hingegen wird in Form eines Implantats verabreicht, das für mindestens 6 Monate eingesetzt wird. Die Wirkung setzt allerdings erst nach bis zu 6 Wochen ein. In den 10 Tagen nach dem Einsetzen des Implantats kann der Hund aufgrund des erhöhten Testosteronspiegels vorübergehend aggressiveres Verhalten zeigen. Wer mit dem Gedanken spielt, sein Tier zur Unterbindung unerwünschter Verhaltensweisen chirurgisch kastrieren zu lassen, sollte zunächst das Deslorelin-Implantat versuchen. So kann man herauszufinden, ob die Kastration das Verhaltensproblem auch tatsächlich lösen kann, bevor man sich für diesen irreversiblen Eingriff entscheidet.

Welche Möglichkeiten gibt es für weibliche Tiere?

Bei weiblichen Tieren kann Progesteron (Megestrolacetat, Medroxyprogesteronacetat oder Proligeston) verabreicht werden. Ebenfalls entweder in Form einer täglichen Pille oder in Form einer Spritze (alle 3 bis 6 Monate bei Hündinnen und bis zu alle 8 Monate bei Katzen). Ausserdem besteht die Möglichkeit, ein Implantat mit GnRH-Agonisten (Deslorelin) einzusetzen.

Progesteron hat eine starke Wirkung und kann auch die Läufigkeit bei Hündinnen bzw. die Rolligkeit bei Katzen unterdrücken bzw. ihr Auftreten verhindern. Allerdings können zahlreiche Nebenwirkungen wie Gebärmutterentzündungen, Mammatumore bei Katzen usw. auftreten, was in erster Linie auf die hohen Dosen zurückzuführen ist. Derzeit wird untersucht, wie die Dosen verringert werden können.

Ein Deslorelin-Implantat verhindert die Läufigkeit bzw. Rolligkeit, manchmal sogar für bis zu 2 Jahre. Nach dem Entfernen des Implantats erlangt das Tier seine Fruchtbarkeit zurück. Das grösste Problem dieser Implantate ist, dass sie laut Hersteller eigentlich nur für männliche Tiere gedacht sind. Mögliche Nebenwirkungen bei weiblichen Tieren sind das Eintreten der Läufigkeit bzw. Rolligkeit direkt nach dem Einsetzen des Implantats (kann beim Auftreten von Eierstockzysten anhalten) sowie das Eintreten der Laktation, die jedoch medikamentös problemlos unterdrückt werden kann.

Die Wahl der Verhütungsmethode sollte nicht leichtfertig getroffen werden und am besten in Absprache mit dem Tierarzt erfolgen. Da die Nachfrage nach Kastrationsmöglichkeiten zugenommen hat, wird an neuen Methoden gearbeitet, wie etwa neuen Progesteron-Molekülen mit geringeren Nebenwirkungen oder dem Einsatz von Melatonin bei weiblichen Katzen.